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Familien

Seit einigen Jahren ist die Kaufkraft von Familien aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten (Miete, Krankenversicherungsprämien usw.) gesunken.  Dieser Druck ist so groß, dass eine Familie zu haben zu einem Risikofaktor für Armut geworden ist. Derzeit sind in der Schweiz mehr als vier von fünf Müttern und über 95% der Väter auf dem Arbeitsmarkt aktiv. Oft braucht es mehr als ein Monatsgehalt für eine Vollzeitstelle, um einer ganzen Familie ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Ein Monatsgehalt für eine Vollzeitstelle reicht oft nicht aus, um einer ganzen Familie ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, und Alleinerziehende befinden sich häufig in einer Notlage. Es ist nicht gerecht, dass vor allem Familien mit hohem Einkommen von Steuerabzügen für Kinder in Höhe von mehreren Milliarden Franken profitieren. Es gibt zu wenig Krippenplätze und Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten für beide Elternteile, während es an Elternurlaub mangelt. Heutzutage sind Kinderbetreuungseinrichtungen wesentliche Elemente einer kohärenten Familienpolitik und der Wirtschaft des Landes. In der Schweiz gibt es im Wesentlichen drei Arten von Betreuungseinrichtungen: öffentliche Kinderkrippen für Kinder im Alter von drei Monaten bis vier Jahren, die Betreuung in Tagesfamilien (die sogenannten "Tagesmütter"), ebenfalls für Kinder im Alter von drei Monaten bis vier Jahren, und schließlich die schulergänzende Betreuung für Kinder im schulpflichtigen Alter. Leider sind diese Einrichtungen nicht immer in ausreichender Zahl vorhanden.

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Zudem belegen zahlreiche Studien die Bedeutung der familienergänzenden Kinderbetreuung. Sie verbessert die Sozialisation der Kinder, bereitet sie auf die obligatorische Schulzeit vor, ermöglicht die Früherkennung von möglichen Schwierigkeiten oder Verzögerungen und mildert Entwicklungsunterschiede bei Kindern aus fremdsprachigen Familien oder in prekären Verhältnissen. Eine qualitativ hochwertige familienergänzende Betreuung fördert die Entwicklung der Kinder und die Frühförderung.

Die familienergänzende Betreuung stärkt besonders Kinder aus sozial und finanziell benachteiligten Familien. Kinder aus sozial benachteiligten oder bildungsfernen Familien profitieren von guten Strukturen. Sie sorgt für Bildungsgerechtigkeit und Integration. Denn frühe Bildung legt den Grundstein für den späteren Schul- und Berufserfolg und senkt längerfristig die Sozialausgaben. Die Krippeninitiative ist eine Investition in die Zukunft und daher positiv für die Wirtschaft.

Eine qualitativ hochwertige und erschwingliche Kinderbetreuung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Gleichstellung, da sie zu einer besseren Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben beiträgt. Nun tragen familienergänzende Betreuungseinrichtungen nicht nur zur Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben, sondern auch zur Wirtschaft bei. Familie und Beruf sind vereinbar, wenn die Kinderbetreuung den Bedürfnissen der Eltern und des Kindes entspricht und Betreuungslücken geschlossen werden. Denn sie ermöglichen eine schnelle Rückkehr der Eltern ins Berufsleben und verringern den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. In den Nachbarländern ist die Kindertagesstätte, wie die Schule, von der öffentlichen Hand abhängig. Heute ist die Schweiz in Europa das Schlusslicht, wenn es um die Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung geht. Im Durchschnitt geben die OECD-Länder 0,8 % des BIP für die Altersgruppe der 0- bis 3-Jährigen aus, die skandinavischen Länder bis zu 2 % und die Schweiz nur 0,1 %. Dabei zeigen verschiedene Studien, dass sich öffentliche Investitionen in die familienergänzende Kinderbetreuung wirtschaftlich lohnen: Sie generieren zusätzliche Steuereinnahmen, bekämpfen den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und senken die Sozial- und Bildungsausgaben.

Frauen übernehmen heute den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit. Im Gegenzug reduzieren sie ihre Erwerbsquote, verzichten auf Weiterbildung und Karrierefortschritte oder werden daran gehindert.  Dies hat seinen Preis, da sie über ein geringeres Einkommen und später über eine niedrigere Rente verfügen. Frauen verdienen jedes Jahr 100 Milliarden Franken weniger als Männer, obwohl sie die gleiche Anzahl von Stunden arbeiten. Diese Unterschiede lassen sich größtenteils durch die ungleiche Verteilung der unbezahlten Arbeit erklären. Die Kita-Initiative sorgt dafür, dass alle Eltern unabhängig von ihrem Einkommen ihre Erwerbs- und Betreuungsarbeit besser aufteilen können. Infolgedessen geben vor allem Frauen ihre Arbeit ganz oder teilweise auf, was zu niedrigeren Löhnen und Renten führt. Die familienergänzende Kinderbetreuung kommt vor allem Frauen zugute: Sie können weniger Zeit für die Betreuung ihrer Kinder aufwenden und aktiver am Berufsleben teilnehmen.

Viele Eltern können sich heute keine außerfamiliäre Betreuung für ihre Kinder leisten.  Allerdings nutzen nur 40 % der Haushalte mit Kindern unter 12 Jahren institutionelle Betreuungsmöglichkeiten. Der Hauptgrund für diese Tatsache sind die hohen Kosten dieser Einrichtungen. Laut dem Bericht des Bundesrates vom Juli 2015, der auf ein Postulat zurückgeht, erschweren die hohen Kosten der Kinderbetreuung sowie der Mangel an Betreuungsmöglichkeiten in bestimmten Regionen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erheblich.

Derzeit wird der Tarif für die Betreuungskosten anhand der Steuerdaten des Vorjahres (Einkommen und Vermögen), der Betreuungsdauer, eines nach sozialen Kriterien festgelegten Mindesttarifs und eines Höchsttarifs, der anhand der normativen Kosten der Leistungen ermittelt wird, berechnet. Die Betreuungskosten belasten das Haushaltsbudget zu stark, auch bei den Haushalten, die von einer maximalen Subventionierung profitieren würden. Geht man von einem durchschnittlichen Haushalt aus, z.B. mit einem Jahreseinkommen von 110'000 Franken und einem Vermögen von 100'000 Franken, mit zwei Kindern, die an zwei Tagen pro Woche eine Krippe besuchen, würde dieser in den Gemeinden von Genf, Neuenburg und einigen Gemeinden der Kantone Freiburg, Waadt und Wallis u.a. 8'000 Franken pro Jahr aufbringen. Dagegen müsste er in vielen Zürcher Gemeinden und Teilen der Kantone Basel-Landschaft, Zentralschweiz und Ostschweiz mehr als 20'000 Franken pro Jahr aufbringen. Laut einer Studie des BFS mit dem Titel "Kinderkosten in der Schweiz" belaufen sich die durchschnittlichen Kosten für ein Kind, das von einem Paar großgezogen wird, auf 819 Franken pro Monat. Für zwei Kinder belaufen sich die Kosten auf 1310 Franken und für drei Kinder auf 1583 Franken. Eine detailliertere Studie des Zürcher Jugendamts als die des BFS kommt zu deutlich höheren Zahlen. Sie kommt auf Zahlen zwischen 1'200 und 1'800 Franken pro Monat für ein Einzelkind. Es ist zu beachten, dass diese Berechnungen die Kosten für die Kinderbetreuung nicht beinhalten. Die Finanzierung und Subventionierung der familienergänzenden Kinderbetreuung ist Sache der Kantone, die sie teilweise oder ganz an die Gemeinden delegieren. Der Bund legt lediglich den grundlegenden gesetzlichen Rahmen fest und spielt bei der Finanzierung nur eine subsidiäre Rolle. In einigen Kantonen werden auch die Arbeitgeber zur Kasse gebeten.

Darüber hinaus sind Krippenplätze für viele Eltern zu teuer und die Kosten variieren stark von Region zu Region. Die familienergänzende Kinderbetreuung ist daher für viele Eltern finanziell nicht rentabel. Das muss sich ändern: Die Wahl des Betreuungsmodells darf nicht vom Wohnort abhängen. Die Krippeninitiative sorgt dafür, dass jedes Kind ein Recht auf einen Betreuungsplatz hat und - je nach den Bedürfnissen der Eltern und des Kindes und unabhängig vom Wohnort und der finanziellen Situation - einen Platz in einer Krippe, einer Tagesfamilie, in schulergänzenden Angeboten oder in Tagesschulen wählen kann. Zu den direkten Kosten der familienergänzenden Betreuung kommen noch indirekte Kosten hinzu. Denn die Ankunft eines Kindes geht oft mit einem drastischen Rückgang der Erwerbstätigkeit eines Elternteils und damit des Haushaltseinkommens einher. Dieses Phänomen betrifft vor allem Frauen, von denen die Hälfte mit einem Arbeitspensum von weniger als 50 % beschäftigt ist. Die für die Mutterschaft aufgewendete Zeit hat häufig negative Auswirkungen auf die weitere berufliche Laufbahn der Mutter, auch nachdem die Kinder aus dem Haus sind. Die Kosten der familienergänzenden Betreuungseinrichtungen in der Schweiz scheinen zwar mehr oder weniger gleich hoch zu sein wie in den Ländern um uns herum, der Beitrag der Eltern ist in der Schweiz jedoch zwei- bis dreimal so hoch wie in den anderen in dieser Studie genannten Ländern. Tatsächlich gehören die Schweizer Kindertagesstätten laut einer OECD-Studie zu den teuersten der Welt.

Die Schweiz gilt nicht als familienfreundliches Land. In einer im Juni 2019 veröffentlichten Studie von UNICEF belegt sie in Sachen Familienpolitik sogar den letzten Platz unter 31 Ländern. Darin wird die Schweiz insbesondere für die zu kurze Dauer des bezahlten Elternurlaubs sowie für die begrenzte Anzahl an Krippenplätzen für Kinder von 0 bis 6 Jahren angeprangert.

Die Möglichkeit, eine geeignete Kindertagesstätte zu finden, hängt heute stark vom Wohnort ab. Eltern sollten die Möglichkeit haben, die Betreuungsform für ihre Kinder unabhängig von ihrem Wohnort frei zu wählen. Die Betreuung der Kinder muss dem Alltag der Familie entsprechen. Die Entscheidung für eine institutionelle familienexterne Kinderbetreuung scheitert jedoch häufig an einem Mangel an geeigneten Plätzen, insbesondere, aber nicht nur, in ländlichen Gebieten und Ballungsräumen. Seit Jahren steigt die Nachfrage nach Betreuungsplätzen, aber es gibt nicht genügend ausgebildete Fachkräfte. Zu wenig ausgebildetes Personal, zu viele Kinder pro Erzieher, schlechte Bezahlung - solche Bedingungen sind heute vielerorts Realität. Die Löhne müssen fair und die Arbeitsbedingungen gut sein. 

Derzeit sind die Kindertagesstätten unterfinanziert. Die Erzieherinnen und Erzieher sind am Ende ihrer Kräfte und viele wechseln sehr früh den Beruf. Aus Spargründen werden viele Praktikanten und wenig ausgebildetes Personal eingestellt. Gleichzeitig ist eine geringe Anzahl von Angestellten für viele Kinder verantwortlich.

Der Kanton Waadt ist dabei, die Tagesbetreuung aufzuwerten. Diese Tätigkeit weist seit einigen Jahren eine Tendenz zur Professionalisierung auf. Im Kanton gibt es mehr als 1339 Tagesmütter. Die Hälfte von ihnen ist im Durchschnitt um die 40 Jahre alt und verfügt über eine Grundausbildung auf Sekundarschulniveau. Ihr Lohn liegt zwischen 5 Franken 60 und 8 Franken 50 pro Stunde und Kind. Für die meisten ist es eine hauptberufliche Tätigkeit, die durchschnittlich 50 Arbeitsstunden pro Woche umfasst.

 

Jedes Kind hat das Recht auf eine gute Ausbildung, unabhängig von den finanziellen Mitteln seiner Eltern, seiner Herkunft oder seinem Wohnort. Im Alltag ist dieser Grundsatz jedoch noch weit von der Realität entfernt. Die Verwirklichung der Chancengleichheit erfordert die Einrichtung von Ganztagsschulen im ganzen Land. Chancengleichheit muss ein alltägliches Ziel sein. In der Schweiz haben Kinder aus privilegierten Verhältnissen bessere Chancen auf eine gute Schulbildung als andere. Umgekehrt haben Kinder wohlhabender Eltern, deren Muttersprache die Landessprache ist, bessere Bildungschancen.

 

In den Städten haben in der Pflichtschule bis zu 50 % der Kinder eine andere Muttersprache als unsere Landessprachen. Sie werden nicht ausreichend gefördert. Innerhalb der Gemeinden, der Kantone und auf nationaler Ebene muss die öffentliche Schule mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet werden. Die Schülerinnen und Schüler, die Lehrpersonen, die Schulinfrastruktur sowie die Aus- und Weiterbildung liegen uns am Herzen. Denn die Schule der Zukunft muss mehr bieten als eine Ansammlung von Unterricht im Klassenzimmer: Wir müssen aufhören, die familienergänzende Betreuung von der Schule zu trennen, denn diese Unterscheidung verstärkt die Spaltung zwischen Erziehung und Bildung, zwischen Betreuung und Förderung. Ganztageseinrichtungen sind eine Grundlage für die Chancengleichheit und bieten eine ideale Möglichkeit, Kinder zu fördern. Die Ermöglichung eines allgemeinen Zugangs zu einem guten Bildungsniveau liegt im Interesse des ganzen Landes.

 

Auf nationaler Ebene kommt der Elternurlaub nicht voran. In einigen Kantonen, wie z. B. in Bern, wurden Abstimmungen über den Elternurlaub durchgeführt, allerdings ohne Erfolg, außer im Kanton Genf. Ein Elternurlaub soll Eltern dabei helfen, die Beziehung zu ihren Kindern zu entwickeln, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern.  Idealerweise sollte ein Elternurlaub 38 Wochen dauern. Jeder Elternteil hat einen individuellen Anspruch von sechs Wochen, die restlichen 12 Wochen teilen sich die Eltern frei auf. Während des Elternurlaubs sollten die Eltern einen angemessenen Lohnausgleich erhalten, der sich in Art und Höhe an der Mutterschaftsentschädigung orientiert. Er sollte von der Geburt des Kindes bis zu seinem Eintritt in den Kindergarten genommen werden können. Durch den Elternurlaub wird die Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind gestärkt. Insbesondere Väter haben die Möglichkeit, sich stärker auf das Kind einzulassen und übernehmen mehr Verantwortung für die Betreuung des Kindes. Darüber hinaus ermöglicht er eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den entscheidenden ersten Lebensjahren des Kindes, aber auch den Eltern, freier zu entscheiden, wer welchen Teil der Erwerbstätigkeit und der Kinderbetreuung übernimmt. Darüber hinaus ermöglicht der Elternurlaub eine bessere Aufteilung der Erziehungsaufgaben zwischen den Eltern. Frauen haben zudem bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt: Der Elternurlaub verringert die Diskriminierung von Frauen bei der Einstellungsentscheidung und bei der Entlohnung. Dank des Elternurlaubs wird die Erwerbsquote von Frauen steigen, was zur Bekämpfung des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften beiträgt.

Konkrete Ideen

  1. Die Kosten für familienergänzende Betreuung senken

  2. Das Angebot an familienergänzenden Betreuungsplätzen ausbauen

  3. Die Funktion der "Tagesmütter" institutionalisieren

  4. Erhöhung der Ergänzungsleistungen für Familien

  5. Kinder- und Ausbildungszulagen erhöhen

  6. Verbesserung der Lohnbedingungen für Beschäftigte in Kindertagesstätten

  7. Förderung der Teilzeitarbeit von Männern

  8. Einen Elternurlaub von 38 Wochen einführen

  9. Einführung eines Adoptionsurlaubs von 14 Wochen

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