
Kaufkraft
Während die Mieten und die Krankenkassenprämien explodieren, sinkt die Kaufkraft und es bleibt immer weniger Geld zum Leben übrig. Vor allem aufgrund des Wettbewerbs zwischen den verschiedenen Krankenkassen steigen die Krankenversicherungsprämien. Für immer mehr Haushalte mit mittlerem Einkommen stellen sie eine echte finanzielle Belastung dar, die immer größer wird. Leider hat die Entwicklung der individuellen Prämienverbilligungen nicht Schritt gehalten, da sich viele Kantone im Rahmen von Sparplänen dafür entschieden haben, die Zuschüsse zu kürzen.
Es ist unerlässlich, dass die finanzielle Sicherheit aller Haushalte unabhängig von ihrer sozio-professionellen Situation gewährleistet ist. Selbst wenn das Einkommen aus einer abhängigen oder selbstständigen Tätigkeit nicht ausreicht, um einen Haushalt mit einem Mindestmaß an finanziellen Einkünften auszustatten, muss ein Mechanismus die notwendige Ergänzung gewähren, um die Kaufkraft des Haushalts zu sichern. Das Leben wird immer teurer. Dennoch ist die Schweiz ein reiches Land.
Darüber hinaus sind die Kosten für die Kinderbetreuung besonders hoch. Außerhalb der Ballungsräume ist das Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung allzu oft eingeschränkt. So arbeiten viele Frauen Teilzeit oder geben sogar ihren Job auf.
Die Löhne und Renten stagnieren oder sinken sogar und können die steigenden Lebenshaltungskosten immer weniger decken. Mit dem Krieg in der Ukraine kam zu diesen Problemen noch die Inflation hinzu: Die Preise steigen und die Löhne sinken. Insbesondere die Energiepreise belasten die niedrigen und mittleren Einkommen.
Seit 1996 hat sich das Lohngefälle erheblich vergrößert. Die niedrigen und mittleren Löhne bleiben weit hinter der Produktivität zurück, die in den letzten 25 Jahren um mehr als 30 % gestiegen ist. Gleichzeitig sind die Löhne der Topverdiener doppelt so schnell gestiegen (+51 % bis 2020). Der Wohlstand ist also zunehmend ungleich verteilt.
Ein Drittel der Rentner hat nur die AHV und erhält überhaupt keine Rente aus der zweiten Säule (berufliche Vorsorge). Die durchschnittliche AHV-Rente beträgt aber gerade einmal 1800 Franken pro Monat. Das reicht nicht aus, um den Lebensbedarf im Ruhestand zu decken. Fast 11 % aller Frauen müssen daher im Ruhestand direkt auf Ergänzungsleistungen zurückgreifen. Geschiedene oder verwitwete Frauen sind hiervon besonders betroffen. Die AHV-Renten sind zu niedrig, um den Verfassungsauftrag, das Existenzminimum im Alter zu sichern, zu erfüllen. Zudem sind auch die Renten der zweiten Säule in den letzten Jahren massiv gesunken und reichen daher nicht mehr aus. Im Jahr 2019 erhielt die Hälfte der Personen, die in Rente gegangen sind, eine monatliche Rente von nur 3 439 Franken (AHV und Pensionskassenrenten zusammen). Die Hälfte der Frauen, die 2018 in Rente gegangen sind, erhält eine monatliche Rente aus der zweiten Säule von weniger als 1 165 Franken. In sogenannten typischen Frauenberufen sind die Renten aus der zweiten Säule noch niedriger: Zwischen 500 und 800 Franken pro Monat sind bei gleichbleibendem Lohn (60 % Beschäftigungsgrad) und einer Berufslehre als Verkäuferin, Serviceangestellte, Kleinkindererzieherin, Krankenschwester oder Putzfrau üblich.
Laut einer Studie des ASLOCA aus dem Jahr 2022 sind die Durchschnittsmieten, gemessen am Mietpreisindex, in den letzten 16 Jahren um mehr als 22 Prozent gestiegen. Dieser starke Preisanstieg erfolgte zu einer Zeit, in der die allgemeine Teuerung extrem niedrig war. Nach den relevanten Kostenfaktoren des geltenden Mietrechts (Entwicklung der Hypothekarzinsen, Inflation und Unterhaltskosten) hätte der Mietpreisindex in diesem Zeitraum um etwa 10 % sinken und nicht steigen müssen (siehe Abbildung 5).
Das Gesetz sieht nämlich vor, dass Immobilieninvestoren keine überhöhten Renditen (im Vergleich zu Staatsanleihen) auf Kosten der Mieter erzielen dürfen. Nach geltendem Recht hätten die Mieten also sinken müssen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. In den letzten 16 Jahren kam es also zu einer enormen finanziellen Umverteilung von den Mietern zu den Vermietern: Insgesamt wurden nicht weniger als 78 Milliarden Franken von den ersteren zu viel bezahlt. Der Anteil dieser illegalen Mieten ist seit 2006 von Jahr zu Jahr gestiegen. Allein im Jahr 2021 waren es 10,5 Milliarden - das sind durchschnittlich 370 Franken monatlich, die pro Mieterhaushalt zu viel gezahlt wurden. Dieser massive und illegale Anstieg der Wohnungspreise belastet die Kaufkraft der Haushalte stark. Dies zeigt sich auch in deren Budget: Ein immer größerer Teil des Einkommens wird für die Wohnkosten ausgegeben. Den stärksten Anstieg verzeichnen die unteren und mittleren Einkommen. Haushalte mit einem Monatseinkommen von bis zu 4000 Franken geben heute 35 % davon allein für Mietkosten aus. Ab einem Bruttoeinkommen von 8.000 Franken sinkt dieser Wert auf 20 %.
Für viele Haushalte in der Schweiz stellen die Krankenversicherungsprämien neben den Wohnkosten die größte finanzielle Belastung dar. Seit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) haben sich die durchschnittlichen Prämien mehr als verdoppelt (+134 %).
Die Krankenversicherungsprämien sind einkommensunabhängig und funktionieren wie eine Kopfsteuer. Dies führt zu einer stark steigenden Belastung, vor allem für Familien und Personen mit niedrigem Einkommen. Prämienverbilligungen sollten dementsprechend die Kostenlast der Krankenversicherungsprämien, insbesondere für Familien und Menschen mit niedrigem Einkommen, abmildern. Diese Beträge sind im gleichen Zeitraum jedoch nur um durchschnittlich 49 % gestiegen und konnten somit die Preisexplosion nicht ausgleichen. Da die Durchschnittslöhne im selben Zeitraum viel langsamer gestiegen sind, stellen die Prämien heute eine viel größere Belastung für das Haushaltsbudget dar als noch vor 20 Jahren. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hat die Belastung durch Krankenkassenprämien in Abhängigkeit vom Einkommen genauer untersucht und dabei auch die Prämienverbilligungen berücksichtigt. Für den Schweizer Durchschnitt wurde der Anspruch auf Verbilligung für jeden Kanton separat nach Einkommensgröße und Haushaltstyp ermittelt und dann nach der Bevölkerungszahl entsprechend der Grösse des Kantons gewichtet.
Im internationalen Vergleich liegt die Schweiz, nur vor Irland, auf europäischer Ebene bei der Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung zurück. Im Durchschnitt geben die OECD-Länder 0,8 % ihres BIP für die Altersgruppe der 0- bis 3-Jährigen aus, während es in Norwegen und Schweden fast 2 % sind. Schätzungen zufolge gibt es derzeit rund 67 000 Vollzeitplätze in Kindertagesstätten und Tagesfamilien. Dies entspricht einem Versorgungsgrad von rund 18 %. Seit 2004 wurden schätzungsweise 25 000 neue Plätze geschaffen. Dennoch ist der Bedarf nicht gedeckt. Insbesondere sind die privaten Kosten für einen Betreuungsplatz in der Schweiz sehr hoch. Dies erschwert den Zugang zu familienergänzender Betreuung, insbesondere für Familien mit niedrigem Einkommen. Eine durchschnittliche Familie mit zwei Kindern in einer Kindertagesstätte an zwei Tagen pro Woche und mit einem durchschnittlichen Einkommen zahlt nach Abzug der Subventionen rund 12 100 Franken pro Jahr. Insbesondere mit Kindern im Vorschulalter machen die Ausgaben für die familienergänzende Betreuung zwischen 5,5 und 7 % des Haushaltseinkommens aus.
Neben den Wohnkosten und den Krankenversicherungsprämien sind die Ausgaben für die familienergänzende Kinderbetreuung daher ein wichtiger Faktor, der das frei verfügbare Einkommen und damit erst recht die Kaufkraft insgesamt, insbesondere für Familien, deutlich reduziert. Darüber hinaus bedeuten diese hohen Preise häufig, dass man seine Erwerbsquote reduzieren muss, insbesondere für Frauen. Sowohl die Kantone als auch der Bund haben die Einkommenssteuer in den letzten Jahren reformiert. Davon haben vor allem die sehr hohen Einkommen profitiert. Während ein Durchschnittseinkommen im Jahr 2021 die gleiche Steuerlast trägt wie 1984 (ca. 13 %), ist der Steuersatz für sehr hohe Gehälter (2018: 1 Million) stark gesunken. Für Millionäre unter den Arbeitnehmern wurde die Steuerlast in diesem Zeitraum um fast ein Fünftel gesenkt. Die mittleren Einkommen (und damit die Kaufkraft) konnten somit nicht von den vergangenen Steuerreformen profitieren, und gleichzeitig wurde die Steuerprogression - also das Prinzip, dass die wirtschaftlich Stärkeren einen größeren Teil der Staatsausgaben finanzieren müssen - geschwächt. Ein alleinstehender Einkommensmillionär spart heute allein durch Steuersenkungen mehr als 30.000 Franken pro Jahr im Vergleich zum Jahr 2000. Die sehr hohen Löhne sind also nicht nur überdurchschnittlich gestiegen, sondern haben zusätzlich von überdurchschnittlichen Steuererleichterungen profitiert.
Im gleichen Zeitraum konnte ein Durchschnittsverdiener nur von einer Steuersenkung von
125 Franken pro Jahr. Nicht nur millionenschwere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben in den letzten 20 Jahren von massiven Steuererleichterungen profitiert, sondern auch und besonders diejenigen, die Vermögen, Kapital und Kapitalerträge besitzen. Eine neue Studie der Anny-Klawa-Morf-Stiftung zeigt, dass die Steuerlast auf Kapital um mehr als 20 % gesenkt wurde, während die Steuerlast auf Arbeit insgesamt um 3,9 % gestiegen istIn der Schweiz sind 1,3 Millionen Menschen gezwungen, ihre Ausgaben auf den Cent genau zu überwachen. Oft werden sie für ihre eigene Situation "verantwortlich" gemacht und für zu "faul" gehalten, um aus dieser herauszukommen.
Leider ist niemand vor einem Arbeitsplatzverlust, einem Unfall, einer Wirtschaftskrise, einer Scheidung oder einer anderen Notlage gefeit. Armut und/oder prekäre Lebensumstände können jeden treffen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, sie zu bekämpfen. Ebenso wichtig ist es, gute Arbeitsbedingungen für alle zu schaffen und den Zugang zur Beschäftigung für alle, insbesondere für ältere Arbeitnehmer, bestmöglich zu gewährleisten.
Kosten für Gesundheit
Die Preise für Krankenversicherungsprämien sind in den letzten Jahren explodiert. In den letzten 20 Jahren haben sie sich verdoppelt, während die Löhne und Renten im selben Zeitraum stabil geblieben sind. Die Krankenversicherungsprämien stellen daher für viele Familien und Einzelpersonen eine immer größere Belastung dar. Nach Ansicht von 71% der Westschweizer und 87% der Deutschschweizer ist die Medizin zu teuer.
Prekarität
Armut ist oft die Folge eines Teufelskreises, der bereits in der Jugend mit kleinen Schwierigkeiten beginnt, die sich dann häufen. Ein einziges Ereignis kann das Leben auf den Kopf stellen und die Spirale der Verschuldung in Gang setzen. Dies kann jeden betreffen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildungsgrad oder sozialem Status. Die Verschuldung ist jedoch ein echtes individuelles und kollektives Problem. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die finanzielle Sicherheit aller Haushalte unabhängig von ihrer sozio-professionellen Situation gewährleistet ist. Selbst wenn das Einkommen aus einer selbstständigen oder unselbstständigen Tätigkeit nicht ausreicht, um einen Haushalt mit einem Mindestmaß an finanziellen Einkünften auszustatten, muss es einen Mechanismus geben, der die notwendige Ergänzung gewährt.
Arbeitsbedingungen
Wenn die Lohnbedingungen einer Arbeitsstelle ein menschenwürdiges Leben und den Lebensunterhalt ermöglichen sollen, müssen auch die Arbeitsbedingungen vorbildlich sein. Im Folgenden konzentriere ich mich auf die prekären Arbeitsbedingungen von Forschern in der akademischen Welt und auf prekäre Praktika. Diese Liste ist natürlich nicht erschöpfend.
Familien
Seit einigen Jahren ist die Kaufkraft von Familien aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten (Miete, Krankenversicherungsprämien usw.) gesunken. Dieser Druck ist so groß, dass eine Familie zu haben zu einem Risikofaktor für Armut geworden ist. Derzeit sind in der Schweiz mehr als vier von fünf Müttern und über 95% der Väter auf dem Arbeitsmarkt aktiv. Oft braucht es mehr als ein Monatsgehalt für eine Vollzeitstelle, um einer ganzen Familie ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Ein Monatsgehalt für eine Vollzeitstelle reicht oft nicht aus, um einer ganzen Familie ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, und Alleinerziehende befinden sich häufig in einer Notlage. Es ist nicht gerecht, dass vor allem Familien mit hohem Einkommen von Steuerabzügen für Kinder in Höhe von mehreren Milliarden Franken profitieren. Es gibt zu wenig Krippenplätze und Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten für beide Elternteile, während es an Elternurlaub mangelt. Heutzutage sind Kinderbetreuungseinrichtungen wesentliche Elemente einer kohärenten Familienpolitik und der Wirtschaft des Landes. In der Schweiz gibt es im Wesentlichen drei Arten von Betreuungseinrichtungen: öffentliche Kinderkrippen für Kinder im Alter von drei Monaten bis vier Jahren, die Betreuung in Tagesfamilien (die sogenannten "Tagesmütter"), ebenfalls für Kinder im Alter von drei Monaten bis vier Jahren, und schließlich die schulergänzende Betreuung für Kinder im schulpflichtigen Alter. Leider sind diese Einrichtungen nicht immer in ausreichender Zahl vorhanden.
Wohnungen
Gegenwärtig ist es sehr schwierig, zu einer erschwinglichen Miete zu wohnen, vor allem in den Städten. Daher sind viele Menschen aufgrund fehlender Mittel gezwungen, ihre Region zu verlassen. Die Mieten sind um 20-30% gestiegen, obwohl sie um ca. 20% hätten zurückgehen müssen! Im Jahr 2021 zahlte jeder Mieterhaushalt 370 Franken zu viel pro Monat. Laut Zahlen des BFS geben die ärmsten 20% der Haushalte rund ein Drittel ihres Einkommens für das Wohnen aus (inklusive Nebenkosten), gegenüber 27% im Jahr 1998. Laut weiteren Zahlen des BFS gibt es landesweit 71'365 leer stehende Wohnungen, 7'467 weniger als 2020.
Frauen
Heute haben Frauen neue Möglichkeiten, am Arbeitsleben teilzunehmen, im Gegensatz zu früher, als dies ausschließlich Sache des Mannes war. So hat die Zahl der erwerbstätigen Frauen leicht zugenommen. Dennoch werden sie in der Arbeitswelt immer noch diskriminiert. So ist es nicht immer einfach, Familien- und Berufsleben miteinander zu vereinbaren. Ob bezahlt oder unbezahlt, Pflege- und Betreuungsaktivitäten sind auch heute noch hauptsächlich Aufgabe der Frauen. Darüber hinaus wird die Care-Arbeit (Haushalt, Einkaufen, Kindererziehung und -betreuung, ...) immer noch zu oft von ihnen übernommen. Dies führt dazu, dass sie bei der Geburt eines Kindes ihre Arbeitszeit reduzieren oder sogar ganz darauf verzichten müssen, weil es keine Betreuungsmöglichkeiten gibt oder die Möglichkeit besteht, die Care-Arbeit innerhalb der Familie gleichmässiger aufzuteilen. Sie eignet sich jedoch nicht für Rationalisierungsmaßnahmen in der Industrie, bei Banken und Versicherungen oder im IT-Sektor, die zunehmend an ihre Grenzen stossen.
