Arbeitsbedingungen
Wenn die Lohnbedingungen einer Arbeitsstelle ein menschenwürdiges Leben und den Lebensunterhalt ermöglichen sollen, müssen auch die Arbeitsbedingungen vorbildlich sein. Im Folgenden konzentriere ich mich auf die prekären Arbeitsbedingungen von Forschern in der akademischen Welt und auf prekäre Praktika. Diese Liste ist natürlich nicht erschöpfend.

Die Schweiz investiert großzügig in die Forschung und bildet immer mehr Doktoren aus. Im Jahr 2015 wurden über 3'800 Dissertationen eingereicht. Die Karriere eines Wissenschaftlers kann erst mit dem Doktortitel in der Tasche richtig beginnen. Um diesen Titel zu erlangen, müssen junge Forscher beruflich und privat viele Opfer bringen. Doch nur eine Minderheit von ihnen findet eine Stelle, die ihrem Bildungsniveau entspricht. Die meisten haben keine feste Anstellung und keine Garantie, dass sie eine feste Stelle an einer Universität bekommen, geschweige denn, dass sie den begehrten Status eines Professors erreichen. Tatsächlich bietet die Universität ihren potenziellen Forschern keinen Karriereplan, so dass mehr als die Hälfte der Doktoranden die Universität nach Erhalt des Titels wieder verlässt. Von denjenigen, die an der Universität bleiben, werden 14 % Professoren. Die anderen vegetieren in niedrigeren Positionen in der Hierarchie dahin, manchmal weniger bezahlt als ein EFZ-Inhaber! Forscher stehen unter ständigem Druck, da sie sehr produktiv sein und viel veröffentlichen müssen. Um nach der Promotion auf berufliche Stabilität hoffen zu können, ist es für sie mittlerweile unerlässlich, in renommierten Zeitschriften zu veröffentlichen, ganz abgesehen davon, dass Englisch die Landessprachen verdrängt hat. Die Leistung eines Forschers wird somit an seiner wissenschaftlichen Produktivität gemessen, die in seinem Lebenslauf deutlich angegeben werden muss.
Immer wieder befristete Verträge, Abhängigkeit von den Professoren - Postdoktoranden leiden unter ihrer beruflichen Situation. Fast acht von zehn Postdoktoranden haben keine feste Anstellung und sind ständig auf der Suche nach Arbeit. Die meisten von ihnen sind zwischen 30 und 45 Jahre alt. Andere erhalten ein Stipendium oder haben unsichere Arbeitsverträge. Aufgrund dieser unterschiedlichen Situationen ist es für sie sehr schwierig zu wissen, wie viel sie in der AHV verdienen werden, da sie Jahre ohne Beiträge haben. Das akademische System der Schweiz ist durch die außerordentliche Unsicherheit seines wissenschaftlichen Personals gekennzeichnet, d. h. der rund 40.000 Forscher, die den Mittelbau bilden. Viele Postdoktoranden haben nach Ablauf ihres Vertrags keinen klaren Plan, wie es weitergehen soll. Diese jungen Forscher sind somit gezwungen, sich früher oder später umzustellen, ohne ihr erworbenes Wissen verwerten zu können. Leider gibt es keine gewerkschaftsähnliche Organisation zur kollektiven Verteidigung von Forschern. Eine solche Organisation ist jedoch von entscheidender Bedeutung, um die Entwicklung eines stabilen Mittelbaus zu ermöglichen und die projektbezogene Finanzierung zu begrenzen.
Auch die Notwendigkeit einer internationalen Mobilität, die im akademischen Umfeld immer mehr in Mode kommt, sollte hinterfragt werden. Solche Fonds gibt es hier und da bereits. Es ist wichtig, sie allgemein einzuführen, um eine Gleichbehandlung von Forschern und Disziplinen zu gewährleisten. Um zu verstehen, warum es prekäre Verträge für den Mittelbau gibt, muss man einen Blick auf die Finanzierung der Wissenschaft werfen. Die Universitäten zahlen die Gehälter des Mittelbaus, während das Geld hauptsächlich aus Drittmitteln kommt. Sie können öffentlich sein: Der SNF finanziert Projekte und die Kantone die Stellen an den Universitäten. Einige sind privat über Unternehmen, Stiftungen oder Mäzene. Diese Gelder werden oft an Professoren gezahlt, die Projekte aufziehen. Sie verwenden sie nach eigenem Ermessen: um Material zu bezahlen, Reisen zu Kongressen oder auch die Gehälter ihres Teams. So sind fast 80 % des wissenschaftlichen Personals befristet angestellt.
Die von den Forschern erlebte Situation ist mit einem Familienleben unvereinbar. Sie sind daher gezwungen, auf die Gründung einer Familie oder eine akademische Karriere zu verzichten. Denn die internationale Mobilität der akademischen Welt kann ein Pluspunkt für die Karriere sein, ist aber in erster Linie ein Hindernis für andere Lebensentwürfe. Viele Forscherinnen schieben ihre Pläne für eine Mutterschaft auf und geben schließlich auf. Außerdem sind Frauen auf Professuren stark unterrepräsentiert.
Gute Arbeitsbedingungen sind jedoch für eine qualitativ hochwertige Forschung unerlässlich. Die derzeitige Politik in Bezug auf das akademische Personal gefährdet die Qualität der Forschung an den Hochschulen erheblich. Allgemeiner ausgedrückt: Durch den ständigen Druck, den die instabilen Arbeitsverhältnisse ausüben, wird die Qualität der Forschung, der Lehre und der wissenschaftlichen Veröffentlichungen geschwächt. Diese Situation wirkt sich auch auf die Professorenschaft aus, die Doktorarbeiten betreuen müssen. Dies erfordert von ihnen ein erhebliches Engagement. Die mangelnde Stabilität der Forschungsteams, die durch die ständige Fluktuation verursacht wird, führt dazu, dass die Aktivitäten nicht langfristig angelegt werden können. Diese aktuellen Bedingungen, die weder für die Forschenden noch für die Hochschulen insgesamt tragbar sind, werden jedoch aus fadenscheinigen Gründen von den Hochschulbehörden, namentlich Swissuniversities und dem SNF, verteidigt, die immer wieder betonen, dass Flexibilität und Wettbewerb die Innovation und damit die Exzellenz der wissenschaftlichen Forschung fördern. Im Jahr 2013 wies der Schweizerische Wissenschafts- und Technologierat auf die Notwendigkeit hin, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, und empfahl den Universitäten, mehr unbefristete akademische Stellen zu schaffen.
Die Verbände des Mittelbaus haben eine nationale Petition lanciert, die am 8. Oktober 2021 bei der Bundeskanzlei eingereicht wird. Sie fordert die Schaffung einer beträchtlichen Anzahl von stabilen Stellen für den Mittelbau in der Schweiz. Sie hat mehr als 8000 Unterschriften gesammelt. Auch zahlreiche Mitglieder des Lehrkörpers haben die Petition unterzeichnet.
Laut BFS bezogen im Jahr 2018 in der Schweiz 49'000 Praktikanten einen Lohn. Ebenfalls laut einer Studie des SFO sind 4,8% der Absolventen mit einem universitären Masterabschluss ein Jahr nach Erhalt ihres Titels noch immer arbeitslos. Bei der Universität Neuenburg liegt diese Zahl bei rund 7 % und bei den FH-Bachelorabschlüssen bei 4,1 %. Fünf Jahre nach dem Erwerb des Titels sind rund 13,4 % der Universitätsabsolventen auf Masterstufe in einem Beruf tätig, der nicht ihrer Ausbildung entspricht.
Daher ist es für einen Teil der Hochschulabsolventen nicht einfach, in das Berufsleben einzusteigen. Das Praktikum ist ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Es bietet die Möglichkeit, sich mit einem Berufsfeld vertraut zu machen, und der Arbeitgeber kann die Fähigkeiten eines potenziellen Arbeitnehmers einschätzen. Ein Praktikum ist also für beide Seiten sehr nützlich, wenn es bestimmte Betreuungs- und Arbeitsbedingungen einhält.
Praktika sind jedoch nach wie vor eine Grauzone auf dem Arbeitsmarkt. Man sollte sich fragen, wer wirklich von ihnen profitiert. Ist es ein Einstieg in die Berufswelt und eine Gelegenheit, den Lebenslauf zu erweitern, oder umgekehrt, sparen sich die Arbeitgeber ein Gehalt? Wahrscheinlich handelt es sich um ein bisschen von beidem. Die Praktika betreffen einen Jugendlichen am Ende der Pflichtschulzeit, der eine Lehre als Gemeindeassistent sucht und zunächst ein Praktikum in diesem Bereich absolviert; einen jungen Tourismusmanager an einer Hochschule, der zwischen vier Semestern theoretischer Kurse ein einjähriges Praktikum im Tourismus absolviert ; eine Studentin der Wirtschaftsinformatik an einer Hochschule, die nach ihrem Abschluss ein einjähriges Praktikum in einem Unternehmen beginnt; ein Hochschulabsolvent mit einem Masterabschluss in Rechtswissenschaften, der zwei sechsmonatige Praktika absolviert, um sich für die Anwaltsprüfung anzumelden; eine kaufmännische Angestellte, die nach Abschluss ihrer Ausbildung ein Berufspraktikum absolviert, um ihre Berufserfahrung zu erweitern. In all diesen Beispielen handelt es sich um Praktika. Die Ausgangspunkte und Ziele sind jedoch völlig unterschiedlich. In manchen Studiengängen ist ein Praktikum im Laufe des Studiums oder am Ende des Studiums vorgeschrieben.
Ein Praktikum ist ein zweischneidiges Schwert auf dem Arbeitsmarkt. Einerseits kann es im Rahmen einer theoretischen Ausbildung praktische Kenntnisse vermitteln, einen Einblick in berufliche Tätigkeiten geben oder den Beginn einer Karriere und den Aufbau eines beruflichen Netzwerks erleichtern. Andererseits werden junge Praktikanten leider als billige Arbeitskräfte ausgenutzt. Sie werden gezwungen, monotone und repetitive Arbeit ohne wirklichen Lerngewinn zu verrichten, werden wenig oder gar nicht beaufsichtigt oder verrichten die gleiche Arbeit wie andere Angestellte, aber zu einem viel niedrigeren Lohn: Manchmal werden sie mit falschen Versprechungen auf eine Festanstellung dazu verleitet, ihr Praktikum zu verlängern. Für die Glücklichsten kann das monatliche Gehalt über 4.000 Franken betragen, während es für die am wenigsten Glücklichen unter 1.000 Franken liegen kann, was sogar bis zur ehrenamtlichen Arbeit reicht. Die prekäre Lage, in der sich ein Teil der Hochschulabsolventen befindet, zwingt sie dazu, unterbezahlte befristete Praktika anzunehmen, in der Hoffnung, irgendwann eine ihrer Ausbildung entsprechende Stelle zu bekommen. Auch der Zugang zu diesen Praktika, die selbst Erfahrung erfordern, wird immer schwieriger.
Das eigentliche Problem ist nicht der Mangel an Erfahrung, sondern die Knappheit an Stellen, die jungen Menschen auf dem Arbeitsmarkt angeboten werden. Laut Aussagen von Zeugen sind einige, wenn sie keine finanzielle Unterstützung von ihren Eltern erhalten, sogar gezwungen, neben ihren Praktika zu arbeiten, obwohl diese bereits eine 50- bis 100-prozentige Beschäftigung darstellen, um die monatlichen Kosten zu decken. Die für eine Stelle geforderten Kompetenzen sind jedoch oft sehr hoch. Ein Masterabschluss und mehrere Jahre Erfahrung werden sehr häufig vorausgesetzt. Die Arbeitgeber haben daher die Anforderungen für eine erste Stelle erhöht und wenden lieber Unterbietungspreise an, als das Spiel der Ausbildung mitzuspielen.
Um den Missbrauch von Praktika zu unterbinden, ist es unerlässlich, das geltende Recht anzuwenden, denn ein Praktikumsvertrag ist fast immer ein Arbeitsvertrag. Jede Arbeit verdient einen Lohn. Daher müssen alle Regeln des Arbeitsrechts angewendet werden, auch in Bezug auf Gehalt, Kostenerstattung, Freizeit oder Probezeit. Darüber hinaus muss ein Praktikum zwingend eine Ausbildungsperspektive beinhalten. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass vor dem Praktikum Ausbildungsziele vereinbart werden.
Konkrete Ideen
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Den Anteil an verlängerbaren oder unbefristeten Verträgen bereits in den ersten Jahren nach der Promotion deutlich erhöhen.
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Schaffung einer beträchtlichen Anzahl stabiler Stellen für den Mittelbau in der Schweiz.
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Verallgemeinerung von Tarifverträgen oder Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.
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Klare Regeln für die Erklärung von Praktika als missbräuchlich und die Bestrafung von Lohndumping aufstellen.
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Praktika angemessen vergüten, sodass sie die Lebenshaltungskosten decken, um zu verhindern, dass Praktikanten in prekäre Verhältnisse abrutschen.
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Sicherstellen, dass RAV und Hochschulen, die ein Praktikum verlangen, nur solche empfehlen, die angemessen bezahlt werden.
